Geschichten beeinflussen unsere Lebenswelten. Geschichten dienen als wichtige Lern- und Reflexionsprozesse in Bezug auf die Vergangenheit und helfen uns dabei unsere Identität und unsere Vision für die Zukunft zu konstruieren. Ebenso geben uns Geschichten Orientierung wie wir in Zukunft leben möchten und sie unterstützen unser Handeln auf dem Weg dahin. Geschichten zeigen auf, wie wir als Menschen Veränderungen denken. Nur wenn sich etwas Verändert entsteht eine Geschichte. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die klassische Liebesgeschichte (EINSAM – VERLIEBT – GLÜCKLICH). Die Grundstruktur einer Geschichte basiert immer auf der Veränderung. Wenn wir andersherum in unserer Lebenswelt mit Veränderungen konfrontiert werden, liegt dem auch immer eine Geschichte, ein Narrativ, zugrunde. Narrationen bilden somit eine Form, wie wir Veränderung denken.
Auch in Organisationen stecken hinter nahezu allen Prozessen (Strukturen, Abläufe) narrative Strukturen (Grundmuster auf denen Geschichten basieren). Diese Perspektive ist äußerst bedeutend und der Grundstein für die Entwicklung hin zu einem zukunftsfähigen und erfolgreichen Unternehmen. Das sichtbar machen dieser Perspektive durch aktives zuhören, ist der erste Schritt hin zu einem narrativen Unternehmen. Es beginnt mit der ersten Geschichte die erzählt wird.
Obwohl Zuhören eine wichtige Kommunikationsfähigkeit ist, wird ihm nicht die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt wie dem Storytelling. Das öffentliche Sprechen ist im Trend und wird momentan im Unternehmenskontext inflationär eingesetzt. Storytelling hat seine Berechtigung, kann aber nur dann sein volles Potenzial entfalten, wenn zuvor aktiv und empathisch zugehört wird. Scham, Angst und Frustration sind erlebte Emotionen die durch das erzählen von Geschichten zum Ausdruck kommen. Durch das aktive Zuhören der erzählten Geschichten, können Menschen Bestätigung, Verständnis, Wertschätzung und Empathie erfahren. Wenn ich das Gefühl habe, dass mir zugehört wird und ich vor allem die Erfahrung mache gehört zu werden, fühle ich mich respektiert und zugehörig. Aktives und empathisches Zuhören hilft allen sich auf einer persönlichen Ebene zu verbinden. Es schafft ehrliche Kommunikation. Es kann dazu beitragen die Barrieren abzubauen, von denen einige Mitarbeiter*innen das Gefühl haben, dass diese sie davon abhalten, ihr wahres authentisches Selbst am Arbeitsplatz zu zeigen.
Der beste Weg, Menschen zu verstehen besteht darin, ihnen zuzuhören. (Ralph G. Nichols)
Zuhören erfordert bewusste Anstrengung und Aufmerksamkeit. Zuhören ist ein wirksames Mittel, um zu lernen und eine emotionale Verbindung zum Gegenüber herzustellen. Durch Zuhören können Individuen und ganze Gruppen lernen, sich entwickeln und etwas erreichen. Die gelebte Erfahrung, dass einem zugehört wird ist unter anderem von grundlegender Bedeutung für Lebensqualität und Gesundheit.
Geschichten haben eine große Wirkung. Die erzählte Geschichte dient als anfängliche Quelle für die Idee des Selbst. Die Idee des Selbst tritt jedoch stärker als sozial konstruiertes Konzept in Erscheinung, das in der Wechselwirkung der Kommunikation mit dem Anderen geschaffen und neu konstruiert wird. Dies geschieht im Raum der zweiten Person, d. h. im Raum zwischen dem Geschichtenerzähler bzw. dem Ich und dem Zuhörer der Geschichte bzw. dem Anderen. Im Raum der zweiten Person gewinnt die Rolle des Zuhörers an Bedeutung, um die Kraft der Geschichte zu verstärken.
Das Erzählen von Geschichten und das Zuhören sind die Grundlage der menschlichen Erfahrung und ermöglichen den Austausch von Informationen, vermitteln Gefühle und erzeugen Mitgefühl. Geschichten bieten Zugang zu einer gemeinsamen Menschlichkeit und machen Identitäten, sowohl auf individueller als auch systemischer Ebene, sichtbar. Die erzählten Geschichten drücken beispielsweise die Wichtigkeit darüber aus, wie sinnvoll Mitarbeiter*innen ihre Arbeit im Unternehmen empfinden, welche Werte sie leben, wie sie die gelebte Kultur innerhalb der Organisation wahrnehmen und welches Wissen und Erfahrungen sie teilen. Menschen suchen aktiv nach Zugehörigkeit als einemwichtigen Teil der menschlichen Erfahrung. Zugehörigkeit ist ein wesentliches menschliches Bedürfnis.
Es ist Fakt, dass wir oft nicht genug zuhören oder in Gespräche mit vorgefertigten Ansichten, Meinungen, Lösungen oder Ideen gehen. Wenn wir jedoch echte Verbindungen zueinander entwickeln, hat jede*r das Gefühl, dass er sein authentisches Selbst zur Arbeit bringen kann. Das wiederum, so beschreiben es auch Studien zu Inclusion und Belonging, führt zu einer Steigerung der Produktivität und des emotionalen Wohlbefindens der Mitarbeiter*innen. Das wiederum sind Erfolgsfaktoren für Innovation und erfolgreiche Entwicklung. Erst wenn wir den vielfältigen Erzählungen und Geschichten im Unternehmen genau zuhören, können wir komplexe Sachverhalte in der Organisation verstehen. Wenn wir den Erzählungen der Mitarbeiter*innen folgen, indem wir ZUHÖREN, diese wertschätzen, wahrnehmen und somit erklärbar und erzählbar machen, können wir die verborgenen Anteile (Identität, Werte, Sinn …) der Organisation erfassen. Nur durch dieses wertvolle Wissen, erschaffen Unternehmen nachhaltige Veränderung.
Es geht darum Gespräche aktiv zu fördern, indem man zuhört und Mitarbeiter*innen Räume bietet, ihre Geschichten zu erzählen.
Für Organisationen ist es demnach von großer Bedeutung, zumindest die wichtigsten Regeln und Kommunikationsmuster dieser bislang verborgenen Ebenen zu kennen. Ein Unternehmen, dass über diesen Grundsatz bescheid weiß ist in der Lage, Veränderungsprozesse, sei es bei der Strategieentwicklung, bei Change-Management Prozessen, beim Personalmanagement, bei der Kultur-Analyse, bei Kulturentwicklungsprozessen oder bei Mitarbeiter*innen-Befragungen, viel erfolgreicher und nachhaltiger zu gestalten. Verborgene Regeln, unbekannte Prozesse und versteckte Hindernisse würden im Umkehrschluss die Prozesse stark bremsen und sogar behindern. Die Identität des Unternehmens entsteht durch die individuellen Geschichten die Mitarbeiter*innen und Stakeholdern über das Unternehmen erzählen.
Nur durch das Zuhören der erzählten Geschichten, können Unternehmen die notwendigen Impulse für Veränderungsprozesse erhalten und nachhaltige Prozesse entwickeln. Nicht zu vergessen ist die Möglichkeit, Beziehungen im Alltag zu stärken, indem man Mitarbeiter*innen das Gefühl gibt, gehört zu werden.
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